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Erle? Sumpfesche? Und warum 44 mm?

November 2011

Und dann war da ein Kunde möchte sich eine strat-ähnliche E-Gitarre von mir bauen lassen und zu Beginn des Projektes stellt er mir die Frage, zu welchem Korpusholz ich ihm raten würde:
Swamp Ash oder Alder , die amerikanische, nicht so dichte, also auch leichtere Esche oder zur Erle.

„Ausprobieren!“, ist meine Antwort ... und ich reiche ihm nacheinander meine Strat mit Erlenkorpus und die aus Esche, Ahornhals mit 5 mm Palisander, gleiche Hardware, Häussel-Blues-Set mit baseplate am Steg. Einziger Unterschied: Eine ist rot , die andere baby-blau!
Nach zwei, dreimal hin und her Getausche hält er die Erlen-Variante für „knackiger“ (bei gleicher Einstellung des Twin Reverb). Sein persönlicher Höreindruck, kontrovers zur allgemeinen „ Fachmeinung“. Ich konnte ihm nur zustimmen! War die verbaute Erle härter, stand die Esche zu lange im Sumpf, hatte der Holzfäller die falsche Schuhgröße?

Normalerweise traut man der allgemeinen Meinung (Gitarristen-Vintage-Gras-wachsen-Hörer-Meinung) ist es mit den beiden Hölzern genau anders herum. Und es stimmt auch: Die Esche kommt meistens (!) knackiger, direkter. Meistens!

Manchmal reicht aber auch schon meine beiden Strats OHNE Angabe des Korpusholz testen zu lassen. Alle Tester fanden: “Beide klingen glockenartig nach Strat!“ ist dann die meist die einhellige Meinung. Doch wenn ich dann die Holzart preisgebe, geht es los: „Jaaa, die rote, die ist eine Idee (!) mittiger (!) und die blaue, jaaa die hat mehr Attack!“ wiederholt der Gras-wachsen-Hörer gebetsmühlenartig die verbreitete Halbwissen-Meinung.

Aber hier sieht man es wieder: Holz ist kein homogener Werkstoff und zu viele Parameter vermasseln so manche Expertise. Standort des Baumes (Bodenstruktur, Wasserversorgung, geografische Herkunft) ist ein wichtiger Faktor. Die gleichen Gedanken kommen mir zu Ahorn...
Und bei dieser Holzart wirkt sich die Herkunft (Höhenholz oder Flachland) UND die Art (Berg-, Spitz-, Feldahorn) noch mehr auf seine physikalischen Eigenschaften aus. Und das bei einem so klangprägenden Bauteil wie dem Hals!

Mr. Fender hatte mal wieder wirtschaftliche Hintergründe bei der Holzauswahl:
Als die Telecaster auf den Markt kam, schmückte sie die leicht transparente, blonde Lackierung, und so griff er auf die dekorativ gemaserte Esche zurück. Als dann ´54 die Strat an den Start ging, blieb man der Holzart treu (Mr. Fender konnte bei der erhöhten Abnahme bei seinem Holzhändler noch größere Rabatte herausschlagen).
Als dann ein Engpass bei der Beschaffung der leichten Esche auftrat und teuerer wurde, musste eine Alternative gefunden werden und man wandte sich der Erle zu. Wieder hatte die Wahl wirtschaftliche und KEINE klangliche Gründe: Erle, leichter zu bearbeiten, weil weicher. Die Poren mussten nicht mehr so aufwändig vor dem Lackieren gefüllt werden, da Erle sehr feinporig ist. Fender hat auch für Strats Pappel und Linde bei Lieferengpässen genommen. 

Hauptsache ein Holz, was in größeren Mengen fix zu beschaffen, feinporig und industriell gut zu verarbeiten war. Bei der mechanischen Bearbeitung darf es nicht so schnell ausreißen und die Schrauben der Hardware müssen ausreichend Halt finden.

Da hat keiner bei Sumpfesche oder Erle oder Pappel an „Tonentfaltung“ gedacht!

Und die 43-44 mm Korpusdicke?
Ganz einfach: In Amerika ist eine gängige Rohbrettstärke 2 Zoll, also ca. 50 mm. Die Weiterverarbeitung war Auftrennen, eine Fläche und eine Kante zum Verleimen auf der Abrichte hobeln (47 mm Reststärke), Teile verleimen, Fläche abrichten (45 mm) und von Dicke hobeln (43 - 44 mm Endstärke).
Also: Bloß keinen Arbeitsschritt zu viel der wieder Kosten verursachen könnte! Einfache Arbeitsschritte, denn die Arbeiter waren alles andere als Gitarrenbauer. Gestern Orangenpflücken, heute Bünde in Schlitze hämmern. Ist da ein Unterschied? - nicht in Ami-Land!
Außerdem war der Dreifach-Schalter schon 30 mm hoch, plus Luft für die angelöteten Kabel macht eine Frästiefe von 38 für das E-Fach und ein bisschen Holz (6 mm) auf der Rückseite musste ja noch stehen bleiben.

Woraus baue ich bald Gitarren? Tropenholz? Alternativen? Dezember 2011

Was mir als Handwerker bei solchen Fragen immer durch den Kopf geht, ist der Umstand, dass unser Sortiment an Hölzern im Gitarrenbau sich seit den Zeiten von Torres (1817-1892) kaum nennenswert geändert hat. Er nutzte die Hölzer, die zu dieser Zeit für den Gitarrenbau bewährt waren und die er von seiner Arbeit als Tischler kannte. Für den Korpus hauptsächlich Ahorn, Zypresse und Rio-Palisander. Die Fichte musste zu dieser Zeit nach Spanien importiert werden und war in Instrumentenqualität so schwer zu beschaffen, dass Torres sogar Decken aus bis zu 4 oder mehr Teilen machte, Hauptsache die Teile hatten annähernd den gleichen Faserverlauf.
Torres hat Teile aus Balken verwendet, wenn sie ihm geeignet erschienen. Ebenso „recycelte“ er Teile von Möbeln. Rio-Palisander wurde je nach Beschaffbarkeit verwendet und die kurzlebigen Flamenco-Gitarren seiner Zeit hatten Korpen aus Zypresse. Als Hals verwendete er jedoch meistens Cedro (spanische Zeder), welches aus den spanischen Kolonien in der Karibik stammte.

Ich habe erst kürzlich mit dem Bau von akustischen Gitarren begonnen, aber schon in den letzten zwanzig Jahren etliche repariert. Als ich daran ging das Holz für meine „Erste“ auszusuchen, konnte auch ich der Versuchung nicht wiederstehen: Es sollte ein Korpus aus Rio-Palisander sein! Wissend, dass es zertifiziertes Holz ist, beruhigte ich mein schlechtes Gewissen.

Ich hatte die Gelegenheit bei der Holzauswahl auf ein breites Angebot zugreifen zu können. Ich konnte praktisch viele Alternativen in die Hand nehmen, biegen, anhobeln, ans Ohr halten und klopfen. Eine feinjährige Fichtendecke, zehn Jahre alt, absolut trocken gibt einen schönen „dong“ als Klopfton ab, dagegen eine 16 Jahre alte, etwas gröbere Ringe ein „deng“. Warum?- Ganz einfach: Das Harz in den Zellen ist nach Verdunsten des Terpentinanteils ausgehärtet und macht den Klopfton obertonreicher. Die Industrie kann zwar ihr Holz kontrolliert runtertrocknen, aber für den letzten Reifeprozess bleibt keine Zeit!

In meinem Holzlager finden sich mittlerweile ein großer Teil der Hölzer, die für den Bau von Gitarren, egal ob E- oder akustik-Gitarren, in Frage kommen.
Ich spreche hier im Besonderen nicht von „Tonhölzern“, sondern von Hölzern, die sich für den Bau von Instrumenten eignen. Als Schreiner betrachte ich Erle oder Esche nicht als Tonhölzer, sondern als ganz normale Materialien für den Möbelbau oder anderen Verwendungen für die sie schon seit Jahrhunderten verwendet wurden. Auch das in so mancher Ebay-Auktion als Tonholz angepriesene Sipo war für mich seit der Lehre ein Holz für den Fensterbau in den 70ern und als Holz für aufgesattelte Treppenstufen bekannt. Und das ach so tolle „Korina“ (ich lach mich jedes Mal über die Gibson-Wortschöpfung schlapp), welches jeder Schreiner in den 60ern kubikmeterweise für alle möglichen Arbeiten verwendet hat: Limba, nichts anderes als Limba! Furnier für Millionen von Zimmertüren oder Aktenschränken, Unterkonstruktionen, Treppengeländern etc. etc. Wenn mein Lehrmeister eine einfache Leiste zugeschnitten haben wollte, sagte er: „Nähh, nich’ Kiefer! Watt soll datt kosten? - Nimm watt Limba!“. Wenn Limba heute als schwer beschaffbar gilt, liegt es an der geringen Nachfrage des Schreiners oder Möbelindustrie und dem deshalb zurückgehenden Import. Kein Holzhändler legt sich Ladenhüter hin. Also ist es rar! Rares „Tonholz“! (ich lach mich schon wieder schlapp).

Warum ich über so was nachdenke? Nun, Tonholz hin, Orangenkiste her: Ein Holz wird durch seine Eigenschaften (Dichte, Härte, Elastizität) für die ein oder andere Aufgabe genutzt für Gitarren zählt noch, wie maß- und formstabil ist es und wie gut lässt es sich mit Handwerkzeug bearbeiten, biegen und last, but not least: Sieht es auch ästhetisch aus? Nur: Was macht dann Erle zu einem angeblichen „Tonholz“? Das es für einen kalifornischen Radiotechniker, der Gitarren baute, billig zu beschaffen und deckend zu lackieren war?
Oft ist der Voodoo um so manches „Tonholz“ nicht zu verstehen! Es muss doch darum gehen einen Werkstoff danach auszusuchen, welche Aufgabe er in einer Konstruktion erfüllen soll - egal ob in einem Gartenzaun oder in einem Musikinstrument.

Worauf ich hinaus will, ist die Zukunft für den Gitarrenbau und seine Werkstoffe. Auch wenn ich meine erste Steelstring aus Rio-Palisander gebaut habe, ist es richtig, dass seine Verwendung und gerade die Herkunft so stark reglementiert wird. Seine Klangeigenschaften konnte ich mit vielen Ersatzhölzern wie ostind. Palisander oder Pau Ferro, Cocobolo oder Madagaskar Palisander vergleichen: Seine Wiedergabe der Höhen ist schon bemerkenswert! Aber rechtfertigt es diesen Hype, der um dieses Holz gemacht wird?

Ostinder wird mittlerweile in Wechsel mit Teak in Plantagen angebaut, aber die genannten Exoten stehen kurz vor der Ausrottung. Der Handel funktioniert zwar mit offiziell legitimen Papieren, aber dieses ist bekanntlich sehr geduldig! Bekannt ist auch, dass die Moral und Rechtsempfinden wenn es um das schnelle Geld geht, in den Herkunftsländern dieser Hölzer, nicht sehr gut bestellt ist.
Ebenso klebt wohl an so manchem Gitarrenhals aus Honduras Mahagoni (Swietenia Macrophylla) oder anderen Gitarrenhölzern aus Mittelamerika Blut: Als in Nicaragua, Honduras und Guatemala die Bürgerkriege tobten, um kommunistisch orientierte Regime zu vertreiben, hatte der große, kapitalistische Bruder aus dem Norden nichts besseres zu tun, als die Contras und andere Guerrilias mit Waffen zu versorgen. Und als Bezahlung u.a. ... Holz!
Und wenn ich dann noch daran denke, das gerade der Hersteller mit dem großen „G“ immer noch Einteiler aus eben dieser Mahagoni-Art anbietet, wird mir schlecht!

Warum nicht vermehrt Hälse aus Cedro verwenden, so wie es Torres nur gemacht hat. 
Martin und andere Hersteller von Steelstrings haben im 19. Jh. auf das steifere Mahagoni gesetzt, aber das war VOR der Einführung des Stahlstabes in den 20ern und natürlich mit angesetzter Kopfplatte (hält sowieso besser, wegen des besseren Faserverlaufs).
Taylor geht, wie schon einige andere Hersteller, zu mehrstreifigen Hälsen über. Holz oder Holzersatzstoffe, wie Hälse aus Graphit, oder weichere Hölzer mit Kohlefaser verstärkt (Verbundwerkstoffe) sind eine andere Möglichkeit.
Griffbretter aus „micarta“ haben bei den Einsteigermodellen von Martin Einzug gehalten. Der Phenolharzwerkstoff kann sehr gut als Ebenholzersatz für Steg und Griffbrett verwendet werden.
Und wenn es nur um die Härte des Ebenholzes geht, sprich für Griffbretter und Stege in der günstigeren Gitarren-Preislage, sollten sie meiner Meinung nach bald sehr breite Anwendung finden.

Früher dachte ich auch immer, Ebenholz wäre soooo toll für Stege, aber als ich mir als ich mir Stegrohlinge bei einem Großhändler aussuchte, benötigte ich einige Zeit bis ich klanglich findig wurde. Es waren an die 50 Rohlinge, 160 x 40 x 16 mm, aus Palisander und Ebenholz, die ich durchprobierte, bis ich 5 Stück beisammen hatte. Die Ebenholzteile machten allesamt nur „pock“ oder „teck“ als Klopfgeräusch mit dem Fingernagel. Die einzigen, denen ein „ping“ oder sogar ein helles „pling“ zu entlocken war, waren aus Palisander.
Es bewahrheitete sich auch hier die Meinung, das Palisander mehr die Höhen betont und Ebenholz mehr komprimiert, aber auch die Unterschiede bei gleichen Holzarten. Bei den Rohlingen waren sie deutlich hörbar: Manche blieben einfach tonal „stumm“, andere des gleichen Holzes „sprühten“ vor Obertönen.
Für den einzelnen Gitarrenbauer ist es wichtig, dass die Ersatzwerkstoffe mit den selben Handwerkzeugen und E-Handmaschinen zu bearbeiten sind, wie die traditionellen Hölzer.
In der Schreinerei ist schon seit langem die Ver- und Bearbeitung von Corian (Phenolharzwerkstoff für die Herstellung von Arbeitsplatten in Küchen) gängige Routine und wird auch für Stege und Griffbretter mal Usus sein.

Auch könnte Bambus ein Werkstoff der Zukunft im Gitarrenbau sein. Die Plattenwerkstoff-Industrie bastelt an Möbelplatten aus dem schnellnachwachsenden Gras. Dünn ausgeschliffen könnten sie für Zargen und Böden genutzt werden. Durch die langen Fasern ist Bambus biegsam und von seiner Dichte her sehr hart.

Mein Tutor Armin wird mich wieder killen: Ich mag Nussbaum, besonders seine geriegelten Variationen. Armin wird wieder unken, “Ei, des Zeusch nimmscht nur für Gewährschäft! ...zur Dämpfung! Da bringscht keine Höhen nei!"
Aber ich werde es bei einer meiner nächsten Steelstrings versuchen. Vom Bau unseres Esstisch ist noch das ein oder andere Stück über. Amerikanische Schwarznuß, schlicht gemasert, weil Mittelbrett. Innen werde ich sehr fein runter schleifen, um den Höhen so viel wie möglich Reflexion zu geben. Mal sehen wie sie sich anhört.
Oder eine Dreadnought aus Kirsche. Ich habe einen Boden/Zargensatz aus Mittenwald mitgebracht, der schon locker 25 Jahre beim Händler gelegen haben muss, gefunden in der hintersten Ecke des Lagers, mit Ölkreide datiert auf 02/82.
Walnuss, Kirsche und Ahorn sind einheimische Hölzer, die schon in den letzten 200 Jahren als Korpusmaterial gute Dienste verrichtet haben. 
Genauso werde ich einen Korpus aus Zwetschge machen. Das Obstholz ich zwar schwer zu biegen, aber ein wunderschön, dichtes Holz, welches ich schon häufig für sehr gute Griffbretter verarbeitet habe.

Immer dem heiligen Gral des Rio-Palisanders nachzutrauern kann nicht zukunftsweisend sein und auch der Gitarrist muss sich damit abfinden, dass der Raubbau früherer Generationen nur durch eine gewisse Form von Enthaltsamkeit zu bezahlen ist.

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