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Alter Lack? ...Lack ab? ...Lack-Affen?

September 2011

Wenn ich darüber mit Kunden diskutiere, werde ich manchmal das Gefühl nicht los, dass sie mit den Augen „hören“ oder nur weil sie es „im Netz gelesen haben“ und “weil es ja schon früher schon so gemacht wurde“ „ eine vergilbte, gerissene Lackschicht für „resonanter“ halten, etc.

Diese Kundenwünsche oder -nachfrage, veranlasst die Hersteller die verwendeten Lacke bernsteinähnlich einzufärben, damit es nach gealtertem Nitrolack aussieht, auch wenn es Polyester ist. Es soll nur der Schein des traditionellen Handwerks vorgegaukelt werden, des handgemachten und über Jahre eingespielten Instruments!

Eine Decke aus Sitkafichte dunkelt durch UV-Strahlung schneller nach als eine europ. Fichte. Das ist einfach baumartbedingt. Doch der Kunde will häufig sein Bild von „Tradition“ und „früher waren die Gitarren besser“ aufrecht erhalten...aber derselbe Kunde würde nie einen Neuwagen mit ausgeblichenem Lack akzeptieren. Weil die Instrumentenindustrie aber die Psyche ihrer Klientel ausnutzt, gibt man werkseitig der Decke schon einen optischen „Alterungsvorsprung“!

Die Hersteller (mal abgesehen von den Großen der Branche, die ihre alten, hauseigenen Modelle neu auflegen) gaukeln dem Käufer häufig durch „Vintage-Serien“ ein Instrument vor, welches per Hand gemacht wurde. Auch wenn die Gitarre halb von einem Computer gefräst und lackiert wurde, soll der Besitzer glauben, er hätte ein traditionell gefertigtes Instrument in Händen.

Die perversesten Auswüchse dieser Mode sind für mich die unzähligen „Relic-Issues“ (auch aus den Custom-Shops der Großen) und das Angebot an künstlich gerosteten Saitenreitern, abgeschabten Maple-Necks und oxydierten Pickguard-Schrauben. Mann, liebe Konsumenten: Eisenoxyd lässt Euch nicht klingen wie Eric C.! Und wenn Ihr erst 16 Jahre alt seit, könnt Ihr und Eure China-Squier nicht schon 24 Jahre hartes Roadleben hinter sich haben! Ich frage mich, ob solche Leute Musiker sind oder nur das Rock´n Roll - lange Haare-Drugs-and on the road - Klischee bedienen wollen?

In den 50er und 60er Jahren hatte man nicht die Riesenauswahl und ein über lange Zeit erspartes, Instrument wurde für die nächsten Jahrzehnte gespielt.
Heute ist alles schnelllebiger und wenn die gewählte Gitarre nicht direkt den Soundvorstellungen entspricht: Ab in den nächsten Mega-Music-Store oder ein paar Klicks mit der Maus... und schon hat er sich die nächste, ach so günstige, Reisball-Klampfe gekauft. Vielleicht klingt die ja endlich nach einer Gitarre aus abgelagerten Hölzern, die selektiert und handwerklich zum Klingen gebracht wurden. Vielleicht?

Mr. Fender hatte seine genauen Vorstellungen, wie viel Lack aus Kostengründen auf einen Body zu spritzen war. Da wurde gerade soviel Lack aufgetragen, dass man beim Polieren nicht wieder aufs Holz kam. Die Hälfte davon war Füller, weil die Sumpfesche Riesenporen hat. Die Lackierungen wurden von ehemaligen Orangenpflückern oder LKW-Fahrern ausgeführt und der Porenfüller von Frauen mit dicken Gummihandschuhen ins Holz gerieben. Und da trauert der Vintage-Liebhaber der guten, alten Zeit nach? Ich als Handwerker nicht !!
 

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