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Ich krieg ´nen Hals! - November 2012

Es ging mal wieder um die Ausarbeitung eines Halses für eine Tele

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... Riegelahorn mit passendem Griffbrett, 22 Medium-Jumbo Bunddraht ... Nix Besonderes, ... denkt man ?!

Aber da ich in den meisten Fällen meine Kunden an der Gestaltung des Halsprofils beteilige, begann die Gestaltung erst mal mit der Diskussion um die anvisierte Rückfront. Zum Glück wollte der Kunde einen etwas dickeren Boatneck, aber wirklich nur etwas ! Bisher hat er die normale V-Form(boat) gespielt . Boat-Neck von dem, an einen Querschnitt durch einen Bootskörper, erinnernden, Halsquerschnitt. Also gerade hochgezogene Kanten mit einem leicht fühlbaren „ Kiel“....so ein Mittelding zwischen dem Buchstaben U und V.

Soweit, so gut...... Auf meine Frage hin, warum wir den Hals von seiner Tele, auf der er sich sehr wohl fühlte, kopieren sollten, sagte er : „ Ne, ich habe da gehört, dass dickere Hälse mehr Sustain hätten und den Ton fetter machen. Wenn ich jetzt schon einen schönen Riegelahornhals bekomme, dann soll der richtig Masse zum Schwingen haben !“

Na toll... den Energiesatz der Akustik wiederlegen ??.... Nach dem sollte die Schwingung der Saite den Ton erzeugen und alles, was da mitschwingt, DÄMPFT !
Also auch die tollen, schwingenden Massivholz-Bodies, die Tester der Gazetten immer in ihren „Trockentesten“ mit blumigsten Phrasen beschreiben: 
“Dass die Sparlackierung die Resonanzeigenschaften der Hölzer weniger eindämmt, wird bereits nach dem ersten Saitenanschlag deutlich. Die Gitarre schwingt von den Füßen(Gurtknopf) bis in die Haarspitzen(Mechaniken) dermaßen intensiv, dass man dies sogar im eigenen Körper spürt; G&B 6/04 L.P. Double Cutaway.

Demnach dämpft also die gesamte Gitarre angeschlagene Saite und verkürzt somit das Ausklingen der Saite..... und der Hals ??
Seine Masse ist begrenzt durch seine Bespielbarkeit. Der Musiker geht hier einen Kompromiss zwischen bequemem Spielen und Stabilität. Aber vom Halsquerschnitt auf das Klangspektrum der Gitarre schließen ist schwer. Ich denke, Steifheit zur Unterstützung der Saitenschwingung, also parallel zur Längsrichtung ist wichtig. Ebenso die Holzauswahl in Bezug die Dicke des Halses.
Ein gängiges Maß eines E-Gitarrenhals ist 20mm am I. Bund auf 22-23 mm am XII. Da macht es sich schon bemerkbar, ob ich wie Fender ein 3 mm Palisandergriffbrett aufleime oder wie meine Hälse 6-7 mm Palisander drauf haben. Das ist bei einer mittleren Dicke von 21 mm ein Hartholzanteil von 1/3 zu 1/7 beim großen F.

Aber wie sich der Ton von der Masse des Hals ableiten lässt, scheint auch die Tester zu überfordern. Hier ein paar Beispiele :

Dicker Hals = klangliche Vorteile; G&B 8/02,

Dünner Hals = runder, fetter Ton; G&B 10/05,

Dünner Hals : Je weniger Masse zu bewegen ist, umso direkter und schneller kommen Ansprache und Tonentfaltung aus den Startlöchern; G&B 3/05,

Spritzig und direkt in der Ansprache, schnell und lebendig kommt jeder Ton trotz immenser Halsmasse(die ja erst mal bewegt werden will) aus den Startlöchern; G&B 9/05,

Ein dünner Hals hat keinerlei akzeptables Schwingungsverhalten;  G&B 3/97,

... klanglich von Vorteil ist, dass der Hals viel Masse auf die Waage bringt; G&B (Fenderheft),

Die Ibanez JEM 777 hat eine extrem dünne Halskonstruktion: Der Sound-Grundcharakter ist kraftvoll und erdig; Fachblatt 6/88,

Die Halsform trägt natürlich auch zum Klangcharakter der Gitarre bei; G&B 12/06 .

Mein Kunde machte sich schlussendlich Schablonen vom Querschnitt seines gewohnten Halsprofils und übertrug sie mit ein wenig Zugabe auf seinen Neuen. Nach vielen Hobel- und Raspelstrichen näherten wir uns dem gewünschten Ziel. Viel wichtiger empfand der Mensch die Stunden kreativer Arbeit und das Gefühl maßgeblich am Entstehungsprozess seines Instruments Entscheidendes beigetragen zu haben. Er wird sich ganz genau an die Momente erinnern, als aus einem kantigen Rohling die Form entstand, die er am meisten an seiner Gitarre berühren wird ...

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